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Techniker Krankenkasse lässt Versicherte für anthroposophische Pseudomedizin bezahlen

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Dieser Artikel wurde am 17.12.2011 bereits bei den Ruhrbaronen veröffentlicht. Wir bedanken uns für die freundliche Möglichkeit zur Übernahme.

Rudolf Steiner um 1905
Rudolf Steiner um 1905 “Scharlatan und größenwahnsinniger Sektenführer” (Quelle: Wikipedia)

Die „Techniker Krankenkasse“ (TK) will ab 1. Januar 2012 die Kosten für homöopathische, pflanzenheilkundliche und anthroposophische Medikamente erstatten. Gastautor Martin Ballaschk kommentiert die Entscheidung.

Prof. Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD, forderte im Sommer 2010: „Man sollte den [Kranken-] Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen“. Sein Argument: „Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie.“ Patienten wird durch die Kostenübernahme eine Wirksamkeit vorgetäuscht, wo keine ist: Die Homöopathie ist längst als pseudowissenschaftliches Konzept entlarvt, von dem sich nichtsdestotrotz eine milliardenschwere Industrie ernährt.

Nun hat die Techniker Krankenkasse entschieden, ab dem 1. Januar 2012 „die Kosten für nicht verschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Arzneimittel der Homöopathie, der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) und der Anthroposophie“ zu übernehmen.

Können Homöopathika und anthroposophische Heilmittel überhaupt als „Medikament“ bezeichnet werden, wie es die Techniker Krankenkassetut? Die Homöopathie versucht sich seit 200 Jahren vergeblich an einem Wirksamkeitsnachweis, und die Anthroposophie hat sich ein gescheiterter Philosoph namens Rudolf Steiner ausgedacht.

Rudolf Steiner (1861–1925) war ein populärer Scharlatan und größenwahnsinniger Sektenführer, dessen „Anthroposophie“ so gut wie keinen Lebensbereich unberührt lässt. Seine Heilslehre, die in Anthroposophenkreisen auch irreführend als „Geisteswissenschaft“ bezeichnet wird, gründet sich praktisch vollständig auf den hellseherischen Eingebungen Steiners. Neben bio-dynamischem Gemüse, Heileurythmie und Waldorfschulen haben wir ihm so auch eine anthroposophische „Medizin“ zu verdanken. Das typische anthroposophische Heilmittel ist oft homöopathischen oder pflanzenheilkundlichen Charakters und wird mit einem überdeutlichen Hinweis auf das „Sanfte“ – da „Natürliche“ und „Ganzheitliche“ – vermarktet. Während Homöopathika überwiegend bei Bagatell-Erkrankungen eingesetzt werden, ist bis heute eine anthroposophische Krebstherapie mit Mistelextrakten etabliert, deren Nutzen bestenfalls ungewiss ist.

Wer noch nicht die bizarren Vorstellungen der anthroposophischen Medizinwelt kennt, sollte einen Blick in Rudolf Steiners umfangreichen schriftlichen Nachlass werfen, in dem man Aussagen findet, die von einem zutiefst menschenverachtenden Weltbild zeugen. Krankheit und Schmerz werden von Steiner und linientreuen Anthroposophen als etwas Gutes verstanden: Sie formen den Menschen, machen ihn menschlicher und seien unverzichtbarer Bestandteil seiner Entwicklung. Diese sei besonders im Kindesalter wichtig, damit Körper und Seele später gut zusammenpassen, fassen es die anthroposophischen Mediziner Michaela Glöckler und Wolfgang Göbel in ihrem Buch „Kindersprechstunde“ (Urachhaus, 2006) zusammen:

Im Unterschied zum Menschen ist es dem Tier nicht möglich, durch Leid und Schmerz Erfahrungen zu sammeln, die sein Lebens bereichern und ihm eine neue Entwicklungsrichtung weisen können. [...] Der Mensch hingegen kann immer „noch menschlicher“ werden und sich zeitlebens weiterentwickeln. Dabei sind ihm Schmerz und Tod weckende Begleiter. [...] Insbesondere in der Kindheit geht es darum, wie sich das seelisch-geistige Wesen des Kindes in seinem Körper „inkarniert“ und sich darin „zu Hause“ fühlen lernt.

(Seite 173)

Die Ursache von Krankheit soll man in Vergehen in früheren Leben suchen, schließlich würde nach dem Tod das Schicksal für ein neu reinkarniertes Erdenleben bestimmt. Krankheit reinige das Karma und man wäre ganz allein daran schuld, wenn man krank wird oder als Behinderter eine „Trottelinkarnation“ ist.

In der Konsequenz werden auch Impfungen von vielen Anthroposophen abgelehnt, man will den Sprösslingen ja keine wichtige entwicklungsfördernde Krankheit vorenthalten. Waldorfschulen und -Kindergärten sind daher bekannt als Brutstätten für die immer wieder aufflammenden Masernepidemien in Deutschland, die Durchimpfungsraten liegen hier weit unter dem Durchschnitt. Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, sondern können schwerste Komplikationen – bis hin zum Tode – nach sich ziehen.

Das alles begründet sich auf Eingebungen des selbst ernannten Hellsehers Rudolf Steiner, der behauptete, in der „Akasha-Chronik“, einem „Geistigen Weltengedächtnis“ und im „Äther“ lesen zu können. Mit Steiners Hellsichtigkeit war es allerdings nicht weit her, wie der Philosophieprofessor Sven Ove Hansson anhand einiger Beispiele belegen konnte. So prophezeite Steiner, dass das von ihm heiß geliebte Quecksilber bald eine Renaissance als Heilmittel bevorstehe:

Und in bezug auf diese Wirkung des Quecksilbers bei syphilitischen Erkrankungen muß man ja auch erwähnen, daß in der neueren Zeit vieles an die Stelle von Quecksilber gesetzt worden ist. Die berühmten neueren Mittel, die an die Stelle gesetzt worden sind, sind aber durchaus erkannt, auch heute schon, in ihrer nicht ganz einwandfreien Wirksamkeit, und sehr bald wird die Medizin auch auf diesem Gebiete wiederum zu den Quecksilberkuren zurückgegangen sein.

(GA 348, Dornach 1928)

Die Wiederkehr der Quecksilberkuren blieb bekanntermaßen aus.

So viel zur anthroposophischen „Medizin“. Zurück zur Techniker Krankenkasse: Vor welchem gesetzlichen Hintergrund fiel deren Entscheidung? Im Rahmen des sogenannten „Binnenkonsenses“ werden anthroposophische Heilmittel, wie auch Homöopathika, als „besondere Therapieeinrichtung“ anerkannt und müssen damit keinen Wirksamkeitsnachweis erbringen, sondern lediglich registriert werden. Die Hersteller entscheiden de facto über die Wirksamkeit, ganz im Sinne eines Wissenschaftspluralismus, und im Widerspruch zu den Ansprüchen einer solidarisch finanzierten Krankenbehandlung, die sich grundsätzlich nur auf einen fassbaren Wirksamkeitsnachweis stützen kann.

Warum übernimmt die Techniker Krankenkasse die Kosten für so einen ausgemachten Unsinn? Handelt es sich um eine reine Werbeaktion? Nach Karl Lauterbachs Forderung, die Homöopathie abzuschaffen, stiegen sowohl Krankenkassen, als auch Pharmakonzerne auf die Barrikaden. Man sah sich plötzlich im Wettbewerb bedroht, und wies darauf hin, dass „Zehntausende mit der Homöopathie gute Erfahrungen gemacht haben“. Die Techniker Krankenkasse bekannte damals unumwunden: „Rund ein Fünftel unserer Beitragszahler verdienen so viel, dass sie zu einer privaten Kasse wechseln könnten. Wenn wir diese Gruppe im System der gesetzlichen Krankenversicherung halten wollen, müssen wir dafür auch etwas bieten.“

In Zeiten der gesetzlich festgelegten Regelsätze sind diese Angebote also ein willkommenes Mittel der Kassen, ihre Patienten zu halten oder von anderen gesetzlichen Kassen abzuwerben. So scheint es auch die Techniker Krankenkasse mit dem Hokuspokus nicht ganz ernst zu meinen, denn pro Versichertem ist der Erstattungs-Höchstbetrag auf 100 Euro im Kalenderjahr begrenzt. Allerdings werden die alternativmedizinischen Leistungen nicht mehr, wie bisher, durch den eigens erhobenen Zusatzbeitrag gedeckt, sondern als Satzungsleistung von allen Versicherten getragen. Während vorher jeder Einzelne für sich entscheiden konnte, Pseudomedizin zu nutzen und zu finanzieren, wird dies nun auf die Gesamtheit der Versicherten abgewälzt.

Zum Autor: Martin Ballaschk ist Biologe und studierte an der Universität Potsdam. Derzeit arbeitet er an seiner Dissertation an der Freien Universität Berlin und am Leibniz-Institut für molekulare Pharmakologie. Martin Ballaschks Blog „Detritus“ befindet sich bei den SciLogs – den Wissenschaftsblogs des Spektrum-Verlags.


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